Pontis federleichter Stuhl gegen Perriands zeitlose Liege: Acht Designer aus Italien und Frankreich, die zeigen, warum südeuropäisches Design so gefragt ist.
Italienisches Design war schon immer eine Liebeserklärung an die Sinnlichkeit. Es liebt Farben, die vibrieren, Formen, die überraschen, Oberflächen, die berührt werden wollen. Hier wird nicht nur gestaltet – hier wird erzählt.
Gio Ponti – Der Poet der Leichtigkeit
Architekt, Designer, Visionär – Ponti gilt als Urvater des modernen italienischen Designs. Sein legendärer Superleggera-Stuhl für Cassina wiegt gerade mal 1,7 Kilogramm und ist dabei so robust, dass er problemslos gestapelt werden kann. Diese Paradoxie aus Zartheit und Stärke macht ihn bis heute zum Inbegriff italienischer Gestaltungsphilosophie: Das Unmögliche möglich machen, und dabei elegant aussehen.

Ettore Sottsass – Der Rebell mit Farbe
Als charismatischer Kopf der Memphis Group brachte Sottsass in den 80ern Farbe, Ironie und postmoderne Verspieltheit ins Design. Sein Carlton-Regal ist eine Provokation in Möbelform – wuchtig, bunt, skulptural. Wer dieses Statement-Piece besitzt, hat verstanden: Italienisches Design darf laut sein, darf polarisieren, darf Spaß machen.

Patricia Urquiola – Die Grenzgängerin
Die Wahlitalienerin zeigt, wie zeitgemäßes italienisches Design aussieht: ihre organischen Möbel für Moroso, ihre taktilen Teppiche für Gan, ihre sinnlichen Badobjekte für Agape. Sie verbindet feminine Weichheit mit handwerklicher Präzision und beweist, dass italienisches Design auch leise kann, wenn es will.

Gaetano Pesce – Der Philosoph der Form
Pesces Möbel sind Manifeste in Kunstharz und Schaumstoff. Sein Up Chair für B&B Italia – ein Sessel mit kugelförmigem Fußhocker, der an eine schwangere Frau erinnert – ist Design als politisches Statement. Bei Pesce wird jedes Möbel zum Kommentar über Gesellschaft, Körperlichkeit, Emotionen. Italienisches Design als Diskurs.

Frankreich: Die Kunst der raffinierten Zurückhaltung
Französisches Design folgt anderen Gesetzen. Hier regiert das Understatement, hier wird Eleganz zur Disziplin. Statt opulenter Gesten findet man klare Linien, perfekte Proportionen – und oft einen intellektuellen Überbau, der das Möbel zur Idee erhebt.
Charlotte Perriand – Die Pionierin der Moderne
Eine der prägendsten Gestalterinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Chaise Longue LC4, entwickelt mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret, ist mehr als ein Möbel – sie ist eine neue Art zu leben. Der geschwungene Liegestuhl aus verchromtem Stahl und Leder definierte 1928 das moderne Wohnen neu und ist bis heute die stilvollste Art, den Sommer liegend zu verbringen.

Jean Prouvé – Der Ingenieur als Poet
Prouvé war Handwerker, Ingenieur, Künstler – und vor allem Purist. Seine Möbel sind Lektionen in technischer Ehrlichkeit: Der Standard Chair aus gebogenem Blech, die Compas Table mit ihren charakteristischen Schrägstreben. Jedes Stück erzählt von der Schönheit der Funktion, von französischer Rationalität, die zur Poesie wird.

Pierre Paulin – Der Hofdesigner mit Schwung
Der Mann, der für Präsident Pompidou die Elysée-Salons entwarf, brachte organische Formen ins streng geometrische französische Design. Sein Tongue Chair und der Ribbon Chair sind Skulpturen zum Sitzen – schwungvoll, modernistisch und dabei ausgesprochen französisch in ihrer kultivierten Sinnlichkeit.

India Mahdavi – Die farbige Revolutionärin
Als Grande Dame des aktuellen französischen Interior Designs bringt Mahdavi Farbe zurück ins oft zu sterile französische Design. Mit ihren Arbeiten für das Londoner Sketch, ihren Bishop Hockern oder ihren intensiv gefärbten Möbeln für Pierre Frey beweist sie: Französisches Design kann auch lebendig sein – ohne seine Grundhaltung der Eleganz zu verlieren.

© Gio Ponti/ cassina
© Gaetano Pesce/ bebitalia
© Pierre Paulin/ Gabriele Patrick Seguin
© Ettore Sottsass/ Markanto
© Patricia Urquiola/ archiexpo.de
© Charlotte Perriand/ cassina
© Jean Prouvé
© India Mahdavi