Ein Landschaftsarchitekt, der Bäume rettet, Natur in Kunst verwandelt und die Klimakrise zum Thema großer Installationen macht: Mit lebendigen Skulpturen, poetischen Gärten und internationalen Kunstprojekten zeigt er, wie Landschaftsgestaltung zum ökologischen Statement wird.
Der Landschaftsarchitekt Enzo Enea rettet Bäume und schafft Orte der Ästhetik und Mahnung zugleich. Mit seinen Kunstprojekten setzt er zudem ein starkes Zeichen für Naturschutz. Kunst als Umweltaktivismus hielt in den letzten Jahren verstärkt Einzug in die kreative Szene.
Wer das Baummuseum des Landschaftsarchitekten Enzo Enea betritt, taucht in eine Welt ein, in der Bäume zu Skulpturen und Natur zur Kunst wird. In Rapperswil-Jona in der Schweiz hat Enea einen Ort geschaffen, der nicht nur der Schönheit der Natur gewidmet ist, sondern auch zum Nachdenken anregt: über unsere Beziehung zur Umwelt, die Vergänglichkeit der Zeit und den kulturellen Wert von Bäumen.

Das Museum ist das weltweit erste und bislang einzige seiner Art. Auf einer Fläche von 75.000 Quadratmetern beherbergt es 50 von Enea gerettete Bäume aus mehr als 25 Arten. Einige dieser Bäume sind über 100 Jahre alt, und jeder hat seine eigene Geschichte. So sollte etwa ein alter Ahorn auf dem Grund eines Krankenhauses einem Neubau weichen. Der Arzt kontaktierte Enea und bat ihn, den Baum zu retten. Der Kinderchirurg erzählte ihm, dass er sich Kraft holt von diesem Baum, wenn ein Kind nicht überlebt. Heute steht dieser prächtige Ahorn im Baummuseum.
Enea ist berühmt dafür, selbst über 100 Jahre alte Bäume verpflanzen zu können. Das Problem beim Verpflanzen ist, dass die Wurzeln den Radius der Baumkrone spiegeln. Würde man den Baum normal ausgraben, wäre der Wurzelballen viel zu groß, um ihn transportieren zu können. Enea ist es gelungen, ausgehend von der japanischen Bonsai-Schnitttechnik, einen speziellen Wurzelschnitt zu entwickeln, der den Ballen in seiner Größe deutlich verringert, die Wurzeln jedoch weiterhin bestmöglich Wasser ziehen lässt. Ganz wichtig für eine erfolgreiche Verpflanzung ist aber auch, dass die Ausrichtung zur Himmelsrichtung beim Pflanzen dieselbe bleibt.

Nicht immer mit Happy End
Nicht alle Verpflanzungen haben ein Happy End. So erzählt die Lärcheninstallation im Baummuseum eine ganz andere Geschichte. Enea hat eine Gruppe von Lärchen aus den Bergen ausgegraben und verpflanzt. Diese Bäume schaffen es klimatisch nicht mehr und sterben langsam, erzählt er beim Rundgang durch sein Baummuseum. Er hat eine rote Bank zu dieser Lärchengruppe gestellt: Hier kann man sich hinsetzen und den Bäumen beim Sterben zusehen. Die Auswirkungen des Klimawandels aufzuzeigen und den Wert der Natur in den Fokus zu rücken, ist ihm ein besonderes Anliegen.
Bäume stehen nie dort, wo man sie gerade braucht, sagt Enea und beklagt, dass wunderbare, alte Bäume einfach gedankenlos gefällt würden. Eine 200-jährige Buche entnehme jährlich sechs Tonnen CO₂, eine Tonne Feinstaub und spende 4,5 Tonnen Sauerstoff, rechnet Enea vor. 400 Liter Wasser verdunstet dieser Baum und kühlt damit die Umgebung um zwei bis drei Grad ab. Es müssten 2.000 Jungbäume gepflanzt werden, um einen dieser Bäume in seiner Wirkung zu ersetzen, betont er.

Das Baummuseum ist gleichzeitig ein Skulpturengarten mit Werken von international renommierten Künstlern. Diese Arbeiten stehen nicht isoliert, sondern treten mit der Natur in Dialog. Auch hier steht die Bedrohung der Umwelt im Fokus. So steht Jürgen Dreschers „Großer Gorilla“ als Mahnmal für die Verdrängung der Natur durch wirtschaftliche Expansion. Bei „Maison des Abeilles“ von Olaf Nicolai handelt es sich um funktionale Bienenhäuser, die das Bienensterben thematisieren. Sylvie Fleurys „Mushrooms“ sind farbig glänzende Pilze, die eine ironische Anspielung auf die Konsumgesellschaft und Modeindustrie sind. Sergio Tappas „Animello“ ist eine Bronze, die sich mit der Erinnerung und der Unendlichkeit des Universums auseinandersetzt.
Kooperation mit der Art Basel
Enea sieht sich nicht nur als Landschaftsarchitekt, sondern auch als Umweltaktivist. Um das Umweltthema auch künstlerisch sichtbar zu machen, kooperiert er seit 2019 mit der Art Basel und gestaltet den Rundhof der Messehalle. Bei der letzten Messe thematisierte die Kunstinstallation „Climate Nomads“ die Verschiebung der Klimazonen und die Auswirkung auf Pflanzen und Bäume. Für die Installation hat Enea mit Sattelschleppern klimaresistente Bäume wie Kiefern, Persische Eisenholzbäume und Korkeichen in den Innenhof transportiert und für die Besucher eine grüne Oase geschaffen. Die Wurzelballen sind in Treibnetze gewickelt, die in Spanien aus dem Meer gefischt wurden. Diese Installation zeigte nicht nur den Einfluss des Klimawandels auf die Vegetation, sondern stellte auch die Frage: Sollte man Städte nicht radikal begrünen, um sie an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen? Die „Climate Nomads“ waren ein dringlicher Appell für einen achtsameren Umgang mit der Natur, der zu einem Zeitpunkt, an dem aufgrund globaler Krisen Umweltthemen in den Hintergrund gerückt sind, wichtiger nicht sein könnte.

Auch in Österreich hinterließ Enea 2019 mit dem Projekt „For Forest – The Unending Attraction of Nature“ seine Spuren. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Künstler Klaus Littmann schuf er eine der größten temporären Umweltkunstinstallationen Europas. Die Aktion verwandelte das Wörthersee Stadion in Klagenfurt in einen echten Wald, um die zunehmende Verdrängung der Natur in unserer Gesellschaft zu visualisieren. Das Projekt basierte auf einer dystopischen Zeichnung des Künstlers Max Peintner von 1970, die die Zukunft voraussah: Wälder, die nur noch als Ausstellungsstücke existieren. Mit „For Forest“ wurde diese Vision für einige Wochen Realität und zog weltweit Aufmerksamkeit auf sich. Eine Fortsetzung dieses Projekts gab es auf der 60. Biennale von Venedig mit Littmanns Installation „Arena for a Tree“, einer schwimmenden Arena aus Holz, die den Jahresringen eines Baumes nachempfunden ist. In der Mitte pflanzte Enea Sumpfzypressen.

Diese Kunstinstallationen erinnern an das Projekt „7000 Eichen“ von Joseph Beuys, das 1982 auf der Documenta ein Statement gegen die Zerstörung der Umwelt setzte. Tatsächlich ist Kunst als Umweltaktivismus kein neues Thema. Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren behandelten Künstler wie Iain Baxter, Helen Mayer Harrison und Newton Harrison Umweltsünden wie DDT, giftige Abgase und Ölverschmutzungen. 1978 stand die Biennale in Venedig unter dem Titel „Von der Natur zur Kunst“. Doch schon in den 1990er-Jahren war die Umwelt aus der Kunst fast verschwunden – erst die wachsende Bedrohung durch den Klimawandel brachte das Thema in den letzten Jahren wieder ins kreative Blickfeld.
So initiierte das Kunst Haus Wien im Vorjahr die erste Klima Biennale Wien, deren Ziel es war, mit Kunst Bewusstsein für die Klimakrise zu schaffen. Vier Monate lang gab es 30 Ausstellungen und 780 Veranstaltungen, die sich mit der Dringlichkeit des Klimawandels auseinandersetzten. Zu den Höhepunkten zählte die von Lucia Pietroiusti, Kuratorin und Head of Ecologies an der Londoner Serpentine Gallery, kuratierte Gruppenausstellung „Songs for the Changing Seasons“. Pietroiusti, die sich in den letzten zehn Jahren auf die Erforschung der Ökologie in Kunst und Kultur konzentriert hat, war Kuratorin der mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Opernperformance „Sun & Sea“ von Rugile Barzdziukaite, Vaiva Grainyte und Lina Lapelyte des litauischen Pavillons auf der 58. Biennale von Venedig.

Vertreten war bei der Klima Biennale etwa die chilenische Künstlerin Patricia Domínguez, die Forschungen zur Ethnobotanik sowie zu alten Heilpraktiken vereint und sich darauf konzentriert, wie der Kapitalismus koloniale Praktiken der Gewinnung und Ausbeutung aufrechterhält. Gezeigt wurde etwa die Installation „The Ballad of the Dry Mermaids“. Ebenso dabei war die junge gefeierte vietnamesische Multimedia-Künstlerin Thao Nguyen Phan mit „Becoming Alluvium“, einem Film über den Mekong und die ökologischen und sozialen Veränderungen, die durch das Wachstum der Landwirtschaft, die Überfischung und die wirtschaftliche Abwanderung der Bauern in die Städte verursacht werden. Die Biennale etablierte sich als wegweisendes Beispiel, wie Kunst als Motor für gesellschaftlichen Wandel und Umweltaktivismus fungieren kann. Die nächste Klima Biennale Wien soll von 9. April bis 10. Mai 2026 über die Bühne gehen.
Konzept des Genius Loci
Als kuratorisch könnte man auch die Arbeit Enzo Eneas bezeichnen, wenn er Gärten und Landschaften gestaltet. Sein Ansatz basiert auf dem Konzept des Genius Loci – dem Geist des Ortes. Jeder Garten, den er gestaltet, ist eine Hommage an die natürlichen Gegebenheiten und die Geschichte der Umgebung. Hier könnte man einen Vergleich mit berühmten Land-Art-Künstlern wie Robert Smithson, Richard Long oder Andy Goldsworthy wagen. Diese Künstler haben Landschaften und Naturmaterialien genutzt, um vergängliche und dauerhafte Kunstwerke zu schaffen, die sich in Zeit und Raum verändern.

Die Idee, Gärten als Kunstwerke zu betrachten, ist tief in der Kulturgeschichte verankert. Schon in der Antike wurden Landschaften bewusst gestaltet, sei es in den persischen Paradiesgärten, den kunstvollen Anlagen des Alten Ägyptens oder den symmetrischen Gärten der Römer. Besonders einflussreich waren jedoch zwei Strömungen: zum einen die englischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts, die nicht durch Symmetrie, sondern durch eine naturnahe, malerische Gestaltung geprägt waren. Sie gelten als Vorläufer der modernen Gartenarchitektur und beeinflussten auch Eneas Arbeiten. Zum anderen die japanischen Zen-Gärten, die in ihrer minimalistischen Ästhetik eine tiefere Bedeutung über Raum, Zeit und Natur vermitteln. Diese Gärten sind nicht nur Orte der Meditation, sondern auch als Kunstwerke anerkannt. In gewisser Weise bewegt sich das Baummuseum zwischen diesen beiden Strömungen: Es vereint die Natürlichkeit der Landschaft mit der künstlerischen Inszenierung von Raum und Zeit.
Zu Eneas herausragenden Projekten gehört unter anderem die Gestaltung der Grünanlage des Bulgari Hotels in Peking. Dort rettete er 36 Pinien, die zur Abholzung freigegeben waren, und integrierte sie als lebende Skulpturen in das Gartenkonzept. Eine grüne Oase inmitten einer hochmodernen Büroanlage schuf Enea wiederum im KARL-Komplex in München. Hier trägt die Begrünung zur Klimaregulierung bei und hebt die Lebensqualität der Menschen – ein Konzept, das auch für zukünftige urbane Entwicklungen Vorbildcharakter haben könnte.

Einfluss auf den Wert von Immobilien
Neben der ästhetischen Dimension hat Landschaftsarchitektur auch einen direkten Einfluss auf den Wert von Immobilien. Studien zeigen, dass professionell gestaltete Gärten den Wert eines Anwesens um bis zu 20 Prozent steigern können. In einigen Fällen macht das mehrere hunderttausend oder gar Millionen Euro aus. Ein berühmtes Beispiel ist das Anwesen, das Supermodel Elle Macpherson 2018 in Coral Gables in Florida erwarb. Die Australierin entschied sich nicht zuletzt wegen des von Enea gestalteten Gartens für den Kauf der Villa aus der Feder von Architekt Chad Oppenheim. Verkauft wurde das Anwesen mit 6.920 Quadratmetern später laut Medienberichten für 18,5 Millionen Dollar, was mehr als eine Verdoppelung des Kaufwertes bedeutete. Ebenso bekannt ist die Geschichte des bereits verstorbenen Beatles George Harrison, der ein Haus im Tessin nur erwarb, weil ihm die dazugehörige, von Enea gestaltete Grünoase so zusagte. Das Haus selbst ließ Harrison übrigens niederreißen. Dass Gärten auch eine langfristige Investition sind, zeigt sich im zunehmenden Interesse an nachhaltiger Landschaftsgestaltung – nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der Stadtentwicklung. Gerade in urbanen Räumen werden Grünräume immer wertvoller – nicht nur finanziell, sondern auch für die Lebensqualität der Menschen. Die Wertsteigerung zeigt sich aber auch in urbanen Projekten, wo innerstädtische Begrünung langfristig zur Aufenthaltsqualität und damit zur Attraktivität der Stadt beiträgt und nachhaltige Immobilienentwicklung fördert.