Ein Blick auf die Lichtrevolution in der Automobilbranche – und ihre faszinierende Zukunft.
Gregor Josel
Kaum ein Element im Fahrzeugdesign hat sich in den letzten Jahren so radikal verändert wie das Licht. Was einst reine Funktion war – Scheinwerfer vorn, Rückleuchten hinten – ist heute zentrales Stilmittel, emotionaler Verstärker und Ausdruck technologischer Exzellenz. Vor allem im Premiumsegment erleben wir eine regelrechte Revolution: Licht ist zum gestaltenden Medium geworden – außen wie innen.
Vom Funktionsbauteil zum Designelement
Ein kurzer Blick zurück macht die Dimension des Wandels deutlich. Jahrzehntelang war Fahrzeuglicht technisch getrieben: Glühlampen dominierten, Halogen setzte neue Maßstäbe, Xenon sorgte für mehr Reichweite. Doch Design spielte dabei nur eine Nebenrolle. Scheinwerfer waren rund, quadratisch oder rechteckig und sozusagen die höchste Ausbaustufe von „form follows function“.
Dann kam die LED.
Mit der Einführung der Licht-emittierenden Dioden begann eine neue Ära. LEDs sind klein, effizient und extrem langlebig. Vor allem aber: Sie lassen sich völlig frei gestalten. Plötzlich war Licht formbar. Und genau das hat die Automobilbranche verstanden – und in ein neues Paradigma übersetzt.
Licht wird zur Signatur
Heute ist Licht Teil der Markenidentität. Jeder Premiumhersteller nutzt es zur Differenzierung. Tagfahrlichter in markentypischer Form, animierte Coming-Home- und Leaving-Home-Szenarien, dynamische Blinker oder Lichtleisten über die gesamte Fahrzeugbreite – das alles ist kein Beiwerk, sondern bewusste Inszenierung. Audi spricht von „Lichtdesign als Sprache“, Mercedes von einer „emotionalen Verbindung zwischen Mensch und Maschine“. BMW bringt es auf den Punkt: Licht ist Charakter.

Ein Beispiel: Die neue BMW 7er-Reihe kombiniert kristalline Iconic Glow-Elemente mit LED-Technologie, die fast schon skulptural wirken. Der Kühlergrill wird dezent illuminiert, die Frontscheinwerfer sind zweigeteilt – oben ultraflache Lichtleisten, darunter Hauptscheinwerfer, in dunklem Glas verborgen. Das Ergebnis: Präsenz und Prestige pur.
Auch Audi treibt die Entwicklung voran: Die OLED-Rückleuchten im Audi A8 ermöglichen individualisierbare Lichtsignaturen – je nach Fahrmodus. Beim Annähern eines Fahrzeugs passen sich die Leuchten sogar dynamisch an. So wird das Licht zum interaktiven Medium.
Elektrisierendes Lichtstatement
Ein besonders spannender Neuzugang im Reigen der Lichtavantgarde ist der vollelektrische CUPRA Tavascan. Mit seiner aggressiv-futuristischen Lichtgrafik setzt er ein visuelles Statement, das bewusst anders sein will. Die dreieckigen Tagfahrlichter in der Front – das Markenzeichen von CUPRA – verleihen dem Fahrzeug eine dynamische, fast rebellische Ausstrahlung. Die Rückleuchten ziehen sich als durchgehendes Lichtband über das Heck, eingebettet in eine skulpturale Geometrie.

Im Innenraum unterstreicht der Tavascan seinen progressiven Anspruch mit einem Lichtkonzept, das nicht nur dekorativ, sondern funktional gestaltet ist. Die zentral verlaufende Lichtlinie greift Designachsen auf, akzentuiert Bedienflächen und lässt sich farblich individuell anpassen. CUPRA zeigt, dass Licht auch im jungen Premiumsegment Haltung, Stil und Technik perfekt verbinden kann.
Innenraum: Emotion trifft Präzision
Doch der eigentliche Quantensprung findet im Innenraum statt. Dank LED-Technologie ist das Ambientelicht so individuell und dynamisch wie nie. Farben, Helligkeit, Bewegungsmuster – alles lässt sich steuern, personalisieren und an Situationen anpassen. Dabei geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um psychologisches Feintuning. Licht beruhigt, fokussiert, stimuliert – je nach Bedarf.
Die neue Mercedes-Benz S-Klasse ist hier Vorreiter. Mit über 250 LEDs und aktiver Lichtsteuerung wird das Interieur zur Bühne: Bei Kurvenfahrten verändert sich die Lichtverteilung, bei Sprachbefehlen pulsiert es als Feedback. In Kombination mit Duft, Sound und Temperatur entsteht ein multisensorisches Erlebnis.

Auch der Porsche Taycan setzt neue Maßstäbe. Sein Lichtkonzept verbindet sportliche Klarheit mit futuristischer Präzision. Schlanke Lichtleisten umrahmen die Bedienelemente, feine LED-Akzente betonen Designlinien, und das Licht „lebt“ mit dem Fahrzeug: Beim Öffnen wird der Innenraum sanft beleuchtet, beim Fahren passt sich das Licht dynamisch an Geschwindigkeit und Umgebung an.

Raum neu gedacht
Licht verändert nicht nur die Optik, sondern den Raum selbst. Es dehnt ihn, strukturiert ihn, schafft Tiefe oder Intimität. Vor allem im Kontext neuer Mobilitätskonzepte – etwa im autonomen Fahren – wird Licht zum zentralen Gestaltungselement für Atmosphäre und Kommunikation. Wenn das Lenkrad verschwindet und der Fahrer zum Passagier wird, übernimmt das Licht die Regie.
Die Zukunft ist dabei längst sichtbar: Konzeptstudien wie der BMW i Vision Dee oder der Audi grandsphere zeigen, wie sich Lichtinteraktionen weiterentwickeln – mit Projektionen, Farbenwechseln, interaktiven Flächen. Licht wird zum Interface.
Fazit: Mehr als nur Helligkeit
Die Revolution des Lichtdesigns ist kein technologischer Selbstzweck. Sie ist Ausdruck eines neuen Denkens im Fahrzeugbau: Menschen wollen nicht nur fahren – sie wollen sich identifizieren, erleben, fühlen. Licht ist dabei ein Schlüsselreiz. Es formt den Charakter eines Autos, macht Technologie sichtbar – und schafft Bindung.
Premiumfahrzeuge sind heute rollende Lichtskulpturen. Präzise, emotional, intelligent. Und wir stehen erst am Anfang.
(c) beigestellt