Ob Möbel, Licht oder Innenarchitektur – diese Designer:innen aus Italien setzen gerade neue Maßstäbe. Design Deluxe stellt neue Design Ära vor.
Italien ist längst nicht mehr nur Synonym für klassisches Möbeldesign oder die großen Namen der Mid-Century-Ära. Eine neue Generation kreativer Köpfe mischt die internationale Szene auf – mit frischen Ideen, poetischer Tiefe und radikaler Experimentierfreude. Was sie vereint, ist nicht nur ihr Anspruch auf ästhetische Innovation, sondern auch ihr Gespür für gesellschaftliche Relevanz, handwerkliche Qualität und emotionale Erzählkraft. Sie verweben Technologie mit Sensibilität, Erbe mit Gegenwart und zeigen, dass italienisches Design im 21. Jahrhundert so aufregend, intelligent und vielseitig ist wie nie zuvor.
Millim Studio – Poesie des Prozesses
Mitten in Rom betreiben Chiara Pellicano und Edoardo Giammarioli ihr Studio Millim, ein multidisziplinärer Think Tank zwischen Design, Kunst und Kommunikation. Seit ihrer Gründung konzentrieren sie sich auf die Erforschung neuer Ausdrucksformen, die kulturelle Verbindungen schaffen und die Grenzen zwischen Konzept, Material und Inhalt auflösen. „Design als Wunsch, nicht als Bedürfnis“ – das ist ihr Credo. Ihre Objekte, Installationen und Designkonzepte entstehen in einem Raum zwischen Intuition und Analyse, zwischen narrativer Tiefe und formaler Klarheit. Für ihre mutige Ästhetik und konzeptuelle Strenge wurden sie 2019 mit dem Wallpaper Design Award ausgezeichnet und zählen 2024 laut AD Germany zu den 20 spannendsten Designtalenten Europas. Millim denkt Design nicht als Lösung, sondern als offene Frage.

Francesca Lanzavecchia – Design mit Empathie
Aus Pavia stammt Francesca Lanzavecchia, deren Arbeiten bei Marken wie Zanotta, De Castelli oder Hermès zwischen Alltagstauglichkeit und Poesie changieren. Ihre Entwürfe – von adaptiven Möbeln für ältere Menschen bis hin zu skulpturalen Regalen oder taktilen Textilobjekten – sind geprägt von emotionalem Tiefgang und einem feinfühligen Verständnis für Mensch und Material. Ihr Ansatz: Design ist kollektive Arbeit, gespeist aus Handwerk, Technik und Intuition. Lanzavecchia balanciert souverän zwischen Kunstinstallation und funktionalem Objekt, zwischen Präzision und Narration. Ihre größte Stärke liegt in der Fähigkeit, Staunen in alltäglichen Situationen hervorzurufen – und diese mit Sinnlichkeit aufzuladen.
Riccardo Toldo – Licht als Gefühlsträger
Riccardo Toldo gehört zu jenen Talenten, die Technologie nicht als Gegensatz zur Emotion begreifen, sondern als deren Verstärker. Seine Lichtobjekte sind mehr als bloße Leuchten – sie sollen Stimmungen, Atmosphären und auch Resonanzen schaffen. Toldos Mission ist klar formuliert: eine Brücke bauen zwischen der Intelligenz der Maschine und dem Herzen des Menschen. Seine Arbeiten verschmelzen sinnliche Wirkung mit funktionaler Raffinesse und eröffnen dabei eine neue Sprache des Designs, die sich zwischen digitaler Innovation und sinnlicher Erfahrung bewegt.

Giampiero Tagliaferri – Vom Store zur globalen Bühne
Der kometenhafte Aufstieg von Giampiero Tagliaferri ist fast schon zu schön um wahr zu sein. Innerhalb kürzester Zeit hat der frühere Kreativdirektor von Oliver Peoples ein international tätiges Designstudio aufgebaut, und das mit Projekten von Venedig bis Los Angeles, für Klienten wie Carolina Cucinelli oder die Luxus-Restaurantkette Sant Ambroeus. Tagliaferri entwirft keine Räume, er hat den Anspruch, Atmosphären zu kreieren: luxuriös, elegant, aber nie prätentiös. Sein gestalterischer Wendepunkt war das Boutique-Design für Oliver Peoples in Mailand: dort wurde ihm klar, dass seine wahre Passion in der ganzheitlichen Raumgestaltung liegt. Heute vereint er Architektur, Interior Design und Markenidentität in einer visuell kraftvollen Handschrift, die auf dem Salone del Mobile 2024 mit seiner ersten Kollektion für Minotti gefeiert wurde.

Cristina Celestino – Ironie trifft Ikonografie
Cristina Celestino gehört zwar bereits zu den etablierteren Stimmen der italienischen Designszene, bleibt aber durch ihre radikale Eigenständigkeit und feine Ironie stets am Puls der Zeit. Mit ihrem Label Attico Design arbeitet die Mailänderin für Luxusmarken wie Fendi, Sergio Rossi oder Fornace Brioni und Bachli Furniture – stets mit einem Blick für die feinen Referenzen: Kulturerbe, Architekturgeschichte, Mode und Natur fließen in ihre Entwürfe ein. Das Ergebnis ist oft überraschend, stets vielschichtig und von einer Leichtigkeit getragen, die Expertinnen zufolge Erinnerungen und zeitgenössische Ästhetik gleichermaßen berührt. Für Celestino ist Design ein Spiel der Assoziationen, das berührt, aber auch verführt.

© Flavia Rossi, Fuori Salone, Bachli Furniture, Minotti