Mehr als Meer: Warum Kroatiens Designszene gerade so spannend ist

Statt Mittelmeer-Klischees zu dreschen, schafft es die kroatische Design-Szene ihre Geschichte und ihre Regionalität mit neuem Selbstbewusstsein zu einmaligen Kunstwerken zu verarbeiten. Sogar Schnee spielt dabei eine Rolle.

Autor: Heimo Rollett

Die zwei wissen, wie man genießt. Geschmack haben sie auch. Eveline und Walter Eselböck, bekannt aus der österreichischen Spitzengastronomie und ehemalige Betreiber des burgenländischen „Taubenkobel“, haben sich letztes Jahr in Kroatien niedergelassen, genauer gesagt im Küstenstädtchen Lovran an der Opatija-Riviera. Schon vor Jahren hatten sich die beiden in die Region verliebt. Ausgerechnet in Kroatien. Das ist kein Zufall.

Ansteckend entspannt

Die hohe Qualität regionaler Produkte, wie frischer Fisch und Gemüse, sowie die malerische Landschaft mit Olivenhainen und Meerblick inspirierten die Exilburgenländer dazu, ausgerechnet hier ihr neues Lebenskapitel zu beginnen, die Sonne einzuatmen und in ihrer Rolle als Gastgeber Erfüllung zu finden. Sie betreiben ansteckend entspannt zwei Luxusvillen. Ein nachhaltiger Ansatz, der in dem Land mit den rot-weiß-rot karierten Kästchen im Wappen, immer häufiger zu finden ist.

Ein Blick ins Landesinnere, in die 177 Kilometer von Optija entfernte Hauptstadt Zagreb, zeigt, wie lebendig und selbstständig die kroatischen Kreativen geworden sind. Eine durchaus rege und mutige Designszene ist vor allem eines: unkonventionell. Studios wie Grupa Studio oder Numen/For Use (ein kroatisch-österreichisches Designkollektiv) setzen international Akzente mit ihren reduzierten, aber charaktervollen Möbelstücken, Leuchten und Designobjekten. Events wie die Zagreb Design Week bieten dafür eine Plattform und mit der Aufnahme von Davor Bruketa in das renommierte Red Dot Design Diary rückt Kroatien offiziell in den Fokus der internationalen Designszene.

Von kleinen Kreativkonglomeraten haben sich einige zu wirtschaftlich stabilen und erfolgreichen Unternehmungen gewandelt. Prostoria etwa, ein Vorzeigeunternehmen der kroatischen Möbeldesignbranche, feiert heuer sein 14-jähriges Bestehen. Die Marke demonstriert, wie nachhaltige Prinzipien in den Designprozess integriert werden können. Zehn Prozent des Jahresumsatzes fließen in Forschung, Entwicklung und Design. Das ist erfolgreich: Mittlerweile exportiert Prostoria in über 60 Länder und ist in mehr als 1000 Premium-Salons weltweit vertreten.

Für Prostoria arbeiten zahlreiche Designer, etwa das multidisziplinäre Studio RU:T, gegründet von Tvrtko Bojić und Karla Paliska. Auch Lea Aviani soll nicht unerwähnt bleiben, sie ist Gründerin des Designstudios Projectum in Split und bei ihren Werken kommt sofort der (neue) kroatische Lebensstil an die Oberfläche, sie verknüpft Tradtion mit Innovation, ganz ohne sich zu verrenken. So könnte man die Liste der Begabten lange weiterführen, und junge Modedesigner wie Mihaela Plantak erwähnen, weil sie dem Null-Abfall-Prinzip folgen, oder Silvija Kranjec mit ihrer Ökomarke „One with Nature“, die ausschließlich Pflanzen- und pflanzenbasierte Farben auf natürlichen Stoffen verwendet.

Aber mal ganz ehrlich, letztlich ist es der Tourismus, der die Wirtschaftsleistung Kroatiens aus den hintersten Plätzen der EU-Mitglieder rettet. Und das ist gut so, denn schließlich half die Urlaubsindustrie der Architektur und dem Design des Landes ordentlich auf die Sprünge. War auch nach der Herrschaft Titos noch Camping die erste Assoziation mit dem von Pinien und kristallklarem Wasser gesengten Land, mauserte es sich in den letzten Jahren zu einer Destination mit breitem Hotelangebot ganz ohne Yugo-Nostalgie, und nun zeigen Hotels und Villen mit einer Selbstverständlichkeit, wie Luxus, Design und Lebenslust miteinander gematcht werden können. Projekte wie das ikonische Hotel Lone oder das Grand Park Hotel, beide in Rovinj und beide vom Architekturbüros 3LHD geplant, veranschaulichen, wie zeitgenössische Bauweise harmonisch mit traditioneller mediterraner Baukultur verschmelzen kann. Klare Linien, offene Grundrisse und große Glasflächen verbinden sich elegant mit regionalen Materialien wie Naturstein und Holz. Architekten wie Idis Turato oder Studio Ante Murales betonen immer wieder, wie wichtig es sei, die lokale Identität und den Kontext nie aus den Augen zu verlieren.

Tourismus als Triebkraft

Der entscheidende Wandel für die Entwicklung einer kroatischen Architektur vollzog sich aber schon mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Architektur wurde erstmals als eigenständige Kunstform anerkannt, als die kroatische Architektur-Legende Viktor Kovačić erklärte: „Die Architektur ist eine Kunst und als solche hat sie individuell und zeitgemäß zu sein“. Mit dieser Erklärung markierte der Otto-Wagner-Schüler die Emanzipation und den Auftakt für eine neue Ära des kroatischen Schaffens und Entwerfens. Da die erste Architekturschule in Zagreb erst 1919 gegründet wurde, studierten kroatische Architekten zuvor hauptsächlich in Wien, aber auch in anderen europäischen Städten wie Graz, Prag und Paris.

Heute beziehen sich Designer und Architekten zunehmend auf die reiche Geschichte Kroatiens und interpretieren wieder traditionelle Muster und Handwerkstechniken neu. Alte Gebäude werden sensibel renoviert und in moderne Unterkünfte verwandelt, während historische Design-Elemente wie Steinmauern, Holzbalken und mediterrane Fliesen integriert werden. Gut sichtbar wird dies etwa bei den Lošinj Hotels & Villas. Neue Adressen für Liebhaber sehenswert gestalteter Hotelbetriebe sind übrigens das in einem Franziskanerkloster untergebrachte Lopud 1483 bei Dubrovnik, Ende Mai 2025 wird ein neues Haus der Valamar-Gruppe eröffnet, das Arba Resort Halbinsel Capo Fronte, fünf Kilometer von der Stadt Rab entfernt. Hierbei wurden nicht allein nachhaltige und lokale Materialien verwendet, nein, viel entscheidender ist, dass man die vorhandene Bausubstanz verwendet und diese mit Raffinesse und Kreativität upgegradet hat. Shootingstar für Designliebhaber ist aber das Maslina Resort auf Hvar. Jedes Element des Resorts sei eine Liebeserklärung an die Natur, heißt es. Innenarchitektin Léonie Alma Mason verwendete natürliche Materialien, um eine Verbindung zwischen den vier Elementen zu schaffen. Roter Ton erinnert an die Erde, während dunkle Grüntöne und Holz die umliegenden Kiefern und Bäume widerspiegeln. Steine von der nahegelegenen Insel Brač wurden für die markanten Waschbecken und den imposanten Empfangstresen verwendet, der stolze 12 Tonnen wiegt und mit einer japanischen Kintsugi-Technik veredelt wurde.

Punktum: Der Tourismus hat eine eigenständige, lokale Architektur hervorgebracht und eine individuelle Interpretation des Mediterranen gefördert, was sich auch in der Erfolgsgeschichte eines anderen Steins ablesen lässt: Der hellgelbe bis beige Kanfanar, der aus der Region um Rovinj auf der Halbinsel Istrien stammt, ist ein hübscher Allrounder, findet sich doch als Bodenbelag, als Treppe und Wandverkleidungen genauso wie in Form von Terrassenplatten und Poolumrandungen. Und weil er im Außenbereich mit Frostbeständigkeit und rutschfesten Oberflächen einen ordentlichen Vorteil genießt, hat der Kalkstein auch in heimischen Gärten und Terrassen seinen Siegeszug angetreten und so das istrische Lebensgefühl mit ihm schon längst in die Alpenländer exportiert. Vorort zeigt er in der famosen Villa Nai 3.3, wozu er im Stande ist. 2021 eröffnet, bleibt sie ein architektonisches Highlight. Das in Kalkstein gebaute Domizil inmitten eines Olivenhains, entworfen von Nikola Bašić (bekannt durch die Meeresorgel in Zadar), steht im permanenten Bezug zur Natur – genial! Nai ist übrigens ein altes dalmatinisches Wort für Schnee, weiß man beim steirischen Fenster- und Türenhersteller KAPO, der zahlreiche Sonderanfertigungen für dieses Domizil lieferte. Früher gab es auf der Insel Dugi Otok durchschnittlich an 3,3 Tagen im Jahr Schnee – eine klimatische Besonderheit. Da wären wir wieder beim Punkt: So schafft man einzigartige Qualitäten durch nachhaltige, regionale Eigenheiten. Der Schnee verlieh dem Olivenöl nämlich eine ganz spezielle, einzigartige Charakteristik.

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