Manche Ferienhäuser erzählen mehr als nur von Urlaub – sie berichten von Weltausstellungen, Schulbänken oder Bauernhöfen.
Sommerhäuser sind immer Sehnsuchtsorte. Und immer auch Orte, an denen die Zeit langsamer vergeht, an denen das Licht weicher fällt und an denen man das Gefühl hat, ganz kurz aus dem eigenen Leben auszusteigen. Doch während viele Ferienhäuser charmant, aber erwartbar daherkommen, gibt es jene, die aus der Reihe tanzen. Weil sie eine Vergangenheit haben, aber auch weil sie mit ungewöhnlicher Klarheit in der Gegenwart stehen. Design Deluxe zeigt drei Häuser, die sehr speziell erscheinen.
Ein Pavillon mit Fernweh
Ein Haus wie ein Filmset. Drei Etagen, Holzveranden rundherum, und dieser Hauch von kolonialer Nostalgie – mitten im kleinen Ort Villers-sur-Mer an der französischen Küste. Und doch begann die Geschichte ganz woanders: in Paris, auf der Weltausstellung 1878. Dort stand dieses Gebäude ursprünglich als Madagaskar-Pavillon. Heute ist es ein Ferienhaus mit Vergangenheit – und mit einem Interieur, das den Spagat zwischen Original und Gegenwart elegant meistert.
Das Pariser Atelier Baptiste Legué nahm sich der Herausforderung an, den historischen Bau zu retten und neu zu denken. Die Ausgangslage: charmant, aber marode. „Wir mussten nicht nur die Statik überarbeiten, sondern auch das komplette Dach erneuern“, sagt Baptiste Legué. Der Charakter des Hauses sollte bleiben, aber mit Materialien, die Geschichte erzählen – und halten. Bananenfaser, Raffia, Travertin. Texturen, die Wärme bringen, ohne laut zu werden. „Die Raffia-Elemente strukturieren die Volumina und schaffen gleichzeitig visuelle Offenheit“, so Diletta Buchetti gegenüber AD. Herzstück ist die große Kücheninsel, eingefasst von den alten Trägerpfosten – ein architektonisches Statement, das zugleich den Alltag organisiert. Oben: maßgefertigte Betten, individuell geplante Bäder. Unten: ein Wohnzimmer mit Blick aufs Meer. Das ist keine simple Renovierung. Das ist Respekt vor dem, was war – mit einem klaren Blick auf das, was sein kann.
Tradition neu gedacht
Mallorca hat viele Gesichter. Dieses hier zeigt das rustikale Tramuntana-Gebirge, das sich karg, still, archaisch präsentiert. Und mittendrin ein Landgut aus dem 18. Jahrhundert, das von Studio BonVivant Concept neu interpretiert wurde. Ein Haus, das vorher zwei war. Zwei Gebäudeteile, unterschiedlich alt, unterschiedlich gebaut. Die Lösung: nicht vereinheitlichen, sondern herausarbeiten. „Wir wollten die Tradition aus einer zeitgenössischen Perspektive zeigen“, sagt Feliu Rullan zu AD. Was das heißt? Kein dekorativer Kitsch. Keine künstliche Patina. Sondern klare Linien, reduzierte Formen – und eine Farbpalette, die sich zurücknimmt. Stein in Sandtönen, Trispols am Boden, Massivholz, Eisen, Messing.
Vieles, was vorher da war, wurde neu verwendet. Die steinerne tafona, in der früher Oliven gepresst wurden, liefert heute das Fundament für den Kamin. Einfache Details erzählen leise von früher – ohne nostalgisch zu werden. Das Haus bleibt erkennbar mallorquinisch, wird aber durchlässiger, weiter, luftiger. Nicht zuletzt durch eine Architektur, die das Licht atmen lässt. Die Räume bleiben rau, aber wirken nie roh. Alles wirkt wie selbstverständlich – und genau das macht die Ästhetik aus.
Mediterraner Minimalismus in Apulien
Ein weißes Haus in der apulischen Landschaft, ruhig, fast unscheinbar. Doch wer nähertritt, entdeckt: Hier wurde Geschichte nicht überbaut, sondern feinfühlig weitergeschrieben. Andrew Trotter, der britische Architekt mit Sitz in Barcelona, hat aus einem alten Schulhaus ein Ferienhaus gemacht. Es kommt so schlicht daher , dass es schon wieder spektakulär ist.
Die Casolare Scarani war bis in die 60er-Jahre ein Mädcheninternat. Heute ist sie ein Rückzugsort mit Kalkputzwänden, Rundbögen und Gewölbedecken, die wirken, als hätte sie der Wind geformt. Alles ist hell, offen, zurückhaltend. Und dennoch voller Charakter. Der originale Kamin bleibt, die alten Steine werden neu verlegt, Chianca-Fliesen ergänzen die Böden. Möbel aus antikem Holz, Leinenstoffe, lokale Keramik. Hier wurde nichts überinszeniert – und gerade deshalb wirkt es so stimmig. Der Minimalismus ist nicht kühl, sondern warm. Kein Design um des Designs willen, sondern ein Raumgefühl, das Ruhe ausstrahlt. Als ob das Haus nur darauf gewartet hätte, wieder bewohnt zu werden.
© Atelier Baptiste Legué
© Studio BonVivant Concept
© Andrew Trotter