Design macht Emotion sichtbar

Der Preis für den Designer des Jahres wurde im Rahmen der diesjährigen Ausgabe der Pariser Designmesse Maison&Objet im Jänner an Raphael Navot verliehen. Design DE LUXE hat ihn in Paris zum Interview getroffen.

Der Designer und Innenarchitekt Raphael Navot hat sich durch sein außergewöhnliches Talent und Know-how bereits in der internationalen Design- und Dekorationsszene einen Namen gemacht. Auf der Messe wurde erstmals auch seine immersive Installation Apothem Lounge vorgestellt, die durch die sorgfältige Anordnung einer offenen Struktur, die die Besucher mit Licht und Texturen durchflutet, „eine visuelle Emotion darstellen“ soll.

Das neue Wunderkind der Interior-Szene wurde 1977 in Jerusalem geboren. Nach dem Abschluss in Conceptual Design 2003 an der Design Academy in Eindhoven zog er nach Paris, um sich in seinen Lieblingsfächern Design und Innenarchitektur den nötigen Feinschliff zu holen. Sein breit gefächertes Portfolio umfasst heute Projekte, die als Aushängeschild für französisches Handwerk und Design dienen – von Hotelinterieurs bis hin zu maßgeschneidertem Produkt- und Handelsdesign. Seine Vielseitigkeit, aber auch seine Sensibilität und seine philosophischen Ansätze sind mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden.

Mit David Lynch tüftelte er an dem Projekt für den mysteriösen Pariser Club Silencio (2011), kollaborierte bei der Produktion einer hochtechnischen End-Grain-Parkettlinie für Oscar Ono (2016) und entwarf eine Möbelserie für Roche Bobois (2018) – insgesamt zwölf Familien, da­runter Sofas, Tische, Teppiche und Lampen. Bisher war die Inneneinrichtung des Pariser Hôtel National des Arts et Métiers (2017) höchstwahrscheinlich seine größte Leistung.

Die Apothem Lounge für die Maison&Objet ist eine immersive Installation, die Besucher einlädt, Räume vom Kontext losgelöst zu betrachten.

Im vergangenen Jahr konnte man die Fortsetzung seiner Zusammenarbeit mit Loro Piana im Möbelbereich, A Portrait of Comfort, auf dem Salone del Mobile in Mailand sowie ein elegantes Hotel mit Ozeandampferallüren, 50 Zimmern und 10 Privatwohnungen in Cannes, das Hôtel Belle Plage, bewundern. Mit On the Same Subject, seinem neuesten Projekt für Friedman Benda in New York, setzt Navot seine ständige Zusammenarbeit mit der Galerie und den Dialog zwischen Handwerk und Natur fort. Sein neuestes Projekt, das Pariser Hotel Dame des Arts, das soeben eröffnet wurde, ist schon das zweite Hotel im Herzen von Paris, das seine unverkennbare Handschrift trägt: eine monochrome Farbpalette, viel Holz, viel Marmor.

Wie würden Sie Ihren Stil definieren? Ich verwende gerne natürliche Materialien und erweitere die Grenzen des Handwerks mithilfe traditioneller Techniken, dafür aber in einer zeitgemäßen und zeitlosen Form. Zeitlosigkeit ist sehr wichtig für mich. Oft denke ich, dass die Dinge so aussehen müssen, als hätten sie bereits fünfzig Jahre gelebt. Ich würde sagen, dass meine Projekte nicht unbedingt die gleiche Ästhetik haben, aber die Werte, die sie vermitteln, sind ähnlich.

Ihre Inspirationsquellen? Die Natur. Ich sehe mir normalerweise auch keine Designmagazine an oder verfolge Trends, sodass ich nicht unbedingt weiß, was gerade gefragt ist. Aber ich recherchiere vor jedem Projekt viel, vor allem in den Bereichen Psychologie und Wissenschaft, da ich glaube, dass sie letztendlich das Design genauso inspirieren wie Architektur und Musik. Die Natur ist unglaublich facettenreich und hat alle erdachten Designmöglichkeiten übertroffen. Zu lernen, sich zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen, ist für mich wertvoller als der Versuch, ein visuelles Ziel mit vielen Überraschungseffekten zu erreichen.

Welche (frühen) Projekte haben Ihre Karriere besonders geprägt, waren richtungsweisend?
Das erste bekannte Projekt, an dem ich gearbeitet habe, war das Silencio in Zusammenarbeit

mit David Lynch. Im Nachhinein fällt die Verwendung natürlicher Materialien und schon damals die Einbeziehung traditioneller und lokaler Handwerkskunst auf. Mein erstes großes Projekt im Alleingang war jedoch das Hôtel National des Arts et Métiers in Paris, da es viele Aspekte in sich vereint, die mir noch heute wichtig sind.

Ich hatte völlig freie Hand, mit einem sehr mutigen Besitzer, der durchaus den richtigen Riecher hatte, die Aufmerksamkeit der Gäste auf das zu lenken, was ich bereits seit Längerem als „The Natural Future“ bezeichne. Wir verfügten über ein sehr großes Team, ein beträchtliches Budget und viel Zeit – Dinge, die bei meiner Tätigkeit selten und deshalb sehr wertvoll sind.

Dies half mir als Designer, kollektive Ideen zu formulieren und Handwerker mit einem breiten Wissen über Steinbildhauerei, Leinenweberei, mineralische Texturen und Schmiedearbeiten vom Typ Eiffel in das Projekt zu integrieren.

Ich glaube, dass man heute unabhängig arbeiten kann, ohne einer Struktur oder Institution angehören zu müssen. Die Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Partnern ist das, was meiner Meinung nach ausgewogene und spannende Projekte ausmacht. Natürlich bringt die Unabhängigkeit auch einen Mangel an Sicherheit mit sich, aber ich mag die Idee, dass jeder für seinen Teil verantwortlich ist. Dies macht den Prozess in gewisser Weise wacher.

Wir reisen heute anders als früher. Was sollte man bei der Konzeption eines Hotels Ihrer Meinung nah heute besonders beachten? Ich stelle den Gast in den Mittelpunkt meiner Arbeit. Derjenige, der das Bühnenbild erleben und mit dieser spezifischen Atmosphäre verschmelzen wird, ist die wertvollste Person im Projekt. Ich persönlich versuche, Komfort und den natürlichen Energiefluss zu privilegieren und auf diese Art und Weise Körper und Geist in einer einladenden Umgebung in Einklang zu bringen. Der Begriff Harmonie ist für mich keine leere Worthülse.

Seine Projekte sieht Navot als Orte, die Menschen zusammenbringen. So auch das Hôtel Belle Plage in Cannes.

Wie gehen Sie bei der Zusammenarbeit mit internationalen Labels vor? Ich mag die Idee, mit Marken zusammenzuarbeiten, die mit ihren Produkten Geschichten erzählen wollen. Bei Roche Bobois war für mich interessant, dass es sich um eine französische Marke handelt, die

international tätig ist und in Europa mit natürlichen und hochwertigen Materialien produziert. Die Zusammenarbeit mit ihnen war äußerst angenehm, da sie einen guten Kontakt zu vielen Handwerkern und Herstellern haben.

Das Projekt war sehr inspirierend, da es sich sehr von der Arbeit mit einer Galerie unterschied. Wir haben jedoch das Prinzip von Massivholz, Leder und traditionellen Farbtönen beibehalten, aber 3D-Druck und Mineralpasten eingeführt. Die Kollektion heißt Native und stellt den Körperkomfort in den Mittelpunkt.

Ich habe aufgehört, mich ausschließlich Projekten zu widmen, die mit Handel, Geschäften und Privatwohnungen zu tun haben; wenn es keine Geschichte dazu gibt, lasse ich es bleiben. Ich konzentriere mich auf die Gastfreundschaft, die meiner Meinung nach für alle zugänglich sein sollte. Egal ob es sich um ein Restaurant, eine Galerie, eine Buchhandlung oder ein Hotel handelt – wichtig ist, dass der Ort die Menschen zusammenbringt. Ich will ein multisensorisches Erlebnis vermitteln.

Wie kam es zu dem Happening auf der Maison&Objet, der Apothem Lounge? Die Apothem Lounge, das Projekt, das ich für Maison&Objet entwickelt habe, ist eine immersive Installation aus Licht und Texturen, die eine visuelle Emotion darstellt. Diese große kreisförmige Lichtskulptur lädt die Besucher dazu ein, Innenräume unabhängig von ihrer Funktionalität oder ihrem Kontext zu betrachten. Genau wie die Bühne eines Theaters, in dem die Besucher die Schauspieler sind.

Innenarchitektur ist für mich eine Art der Szenografie, die eine ganz gewisse Atmosphäre schaffen soll. Sie wird den Besuchern durch Licht, Farben, Komfort und andere Elemente vermittelt, sodass die Erfahrungen, die in diesem Interieur gemacht werden können, von entscheidender Bedeutung sind.

Die Installation wird Partner vorstellen, mit denen ich zusammengearbeitet habe
und die es mir ermöglicht haben, mehrere „Stimmungsrahmen“ aus meinen früheren Innenausstattungsprojekten umzusetzen. Die Tatsache, dass wir keinen Kunden, keinen Kontext und keine Funktionalität hatten, war ein Privileg und ermöglichte es uns, unserer Fantasie freien Lauf zu lassen und so hoffentlich auch für manchen Überraschungseffekt sorgen zu können.

Die kreisförmige Halle wird von zwei Reihen gebogener Wände so geschützt, dass die
Besucher durch insgesamt zwölf Portale ein- und austreten können. Es handelt sich um eine offene Struktur, ein vereinfachtes Labyrinth, das sowohl Freiheit als auch Privatsphäre bietet.