EIN STADEL ALS LANDGASTHAUS DER ZUKUNFT

Mit seiner visionären Umsetzung eines Dorfgasthauses mit lichtdurchfluteter, klarer Architektur aus Stahl, Sichtbeton, Glas und Holz möchte Haubenkoch Mike Nährer das „Tor zum Traisental“ sein. 

Eine Laube in vergessenen Gärten soll es sein – jene uralten Weingärten, welche Mike Nährer in Zusammenarbeit mit Winzern der Region freigelegt und zu neuem Leben erweckt hat. Das neue Gasthaus ist Stadel und Laube in einem. Mit der offenen Architektur und der pflanzlichen Gestaltung fließen Gastgarten und Haus förmlich ineinander. Durch die charakteristische Verwendung von Holz als prägendem Material wird ein bewußter Kontrast zum Glas gesetzt. Während das Holz erdige Natürlichkeit vermittelt, steht das Glas für Klarheit und Zukunft. Ein erinnerungswürdiges Gartenhaus, für vergessene Gärten. Design De Luxe traf den mittlerweile auch leidenschaftlichen Winzer zum persönlichen Interview.

Sie haben um circa 2,2 Mio Euro Ihre Vision eines Dorfgasthauses der Zukunft verwirklicht. Was zeichnet für Sie einen Gasthof am Land im Vergleich zum Wirtshaus in der Stadt aus?

Ein Landgasthaus ist für mich eingebettet in Brauchtum, Tradition und Wertigkeit. Schlichtweg „DAS“ Gasthaus am Land, mit einem Auftrag, den man erfüllen will. Wie auch in unserer Familie, in welcher seit über 70 Jahren der Kochlöffel von Generation zu Generation weitergereicht wird. Denn wir begleiten unsere Gäste oft ein Leben lang, beginnend bei der Taufe, oder sind beliebter Kommunikationsplatz für Vereinsstrukturen. So ist unser Familiengasthaus nicht durchdesignt, sondern über 3 Generationen hin gewachsen. Kulinarisch unterscheiden wir uns vielleicht weniger von der Stadt, jedoch wachsen viele unserer Zutaten direkt vor der Haustür. So sammeln wir etwa die Wiesenkräuter am Waldrand oder auf der Wiese, betreiben einen eigenen Acker für unser Gemüse und kaufen von vielen regionalen Kleinstproduzenten, welche eine schnelle, gute Versorgung garantieren. Vieles passiert oft situativ. Ich denke da an einen Jäger, der gerade ein Reh geschossen oder an jemanden, der frische Schwammerl gefunden hat. Wir verarbeiten wirklich nur, was uns die Natur saisonal vorgibt, mit starkem Fokus auf das Traisental im Mostviertel.

Das neu errichtete Gasthaus überrascht mit einer fürs traditionelle Österreich einzigartigen Architektur. War der an diesem Platz ursprünglich vorhandene Stadel der Ideengeber oder Ihre eigene visionäre Vorstellung?

Mir ist wichtig, mich ständig weiterzuentwickeln, so auch in der Architektur. Im Gestaltungsprozess zusammen mit dem Konzept- und Architekturbüro Spitzbart + partners ist schließlich die Kubatur eines Stadels entstanden, die zu den „Vergessenen Weingärten“ paßt und zudem sehr flexibel ist: luftig, hoch, lichtdurchflutet, klar. Was auf unsere Gäste sehr unterschiedlich wirkt. Neben dem Mix aus Sichtbeton, Glas und Holz mit einem Boden im Terrazzostil war mir wichtig, dass Akustik, Licht und Raumgefühl richtig umgesetzt werden. Im Herzen Niederösterreichs gelegen und von sämtlichen Großstädten aus gut erreichbar wollte ich mit dieser Architektur der Leuchtturm des respektive das Tor zum Traisental sein. Während traditionell ein Gasthaus mehrere Extrazimmer oder gar einen Saal für Veranstaltungen hat, sind wir alles in einem einzigen Raum. Inklusive der Küche.

Welche Bedeutung kommt der Begrünung der Längsseite sowie des Gastgartens zu? Soll es eine natürliche Beschattung an heißen Sommertagen sein?

Die grüne Wand zur Straße hin ist derzeit noch im Wachsen, trägt erste grüne Blätter und fungiert als Schutz fürs Haus. Vier im Gastgarten gesetzte Platanen sollen in den kommenden zwei Jahren zu einem Blätterdach als natürlicher Baumschatten zusammenwachsen. Ich persönlich genieße Auszeit mit Freunden sehr gerne unter einem Baum, denn diese Zeit ist wahre Energiezeit, um mich zu stärken. Alleine das Rauschen der Blätter oder das Vogelgezwitscher sind Entspannung und Wohlgefühl pur. 

Welcher Bezug läßt sich von Architektur und Design nun auf Ihre Küche ableiten?

Mein Wunsch nach Klarheit in der Architektur entspricht der Aromatik, der Geradlinigkeit im Geschmack meiner Gerichte. So verschmelzen im Gastraum erdige Natürlichkeit und moderne Klarheit ähnlich der Küchenphilosophie zu einem stimmigen Gesamtkonzept. Gerade Holz ist etwas sehr Elementares. Daher mußten für mich auch die Tische aus Holz  sein, denn als Naturmaterial lebt es, verändert sich, erhält eine gewisse Patina. Deshalb wird bei uns Tischwäsche bewußt weggelassen. Auch der Boden zeigt eine Asymmetrie. Gerade die Disharmonie – auch beim Essen – ist das Schöne.

Verraten Sie uns mehr zu den geheimnisvollen „Vergessenen Gärten“ und Ihrer persönlichen Rolle als neu entdeckter Winzer?

Ich habe viele Wanderjahre im In- und Ausland hinter mir. Mein Resumé war, dass jede Region ihre Besonderheiten hat, deswegen besucht man sie auch. Daher stellte ich mir am Weg nach Hause Fragen wie: „Was sind die Besonderheiten vor meiner Haustüre?“, „Wie schmeckt die Küche meiner Großeltern, meiner Eltern, im Traisental, im Mostviertel?“. Dabei bin ich auf Wein gestossen, denn ich trinke gerne unterschiedliche Weine. Leider schmecken viele ähnlich, eintönig, langweilig. Ich dachte eher an Terroirweine, speziell vor dem Hintergrund, dass es im südlichen Traisental, dem Ausläufer der Voralpen, in der Nacht immer ein paar Grade kühler ist. Ich wollte einen Wein aus bestmöglicher Traubenqualität, bei optimaler Pflege der Weingärten, ohne Zusätze, den ich abschmecken könnte, wie in der Küche. 

Heute arbeite ich mit meinen Winzerfreunden Tom Dockner in seinem Keller und Jürgen Leitamayer als Berater in den Weingärten zusammen, um das historische Erbe des Traisentals als Weinbauregion seit 4000 Jahren zu bewahren. Wir produzieren unfiltrierte, handwerkliche Weine, niedrig im Alkohol, leicht Säure- und Gerbstoff angereichert und mit wenig Schwefel. Ich selbst bin seit 2019 als Ideengeber und Abschmecker, seit 2022 mit meinem eigenen Weinkeller dabei und mittlerweile leidenschaftlicher Winzer. Denn meine Gäste suchen nicht das Vorhersehbare, sondern ein innovatives Konzept. Zudem bedeutet für mich tolles Essen zusammen mit einem besonderen Wein pures Lebensgefühl! Dies im einzigartigen Ambiente unseres neuen Landgasthauses. Alles in allem ein genussvolles Gesamterlebnis.

Copyrights Fotos @ Gasthaus Nährer / Bianca Hochenauer und Franz Wein