Ein Gespräch über die Zusammenarbeit mit Bernd Gruber, warum Design ein Handwerk der Sensibilität ist, kreative Freiheit und seine Beziehung zum Material Holz.
Ein Meister ohne Diplom – und einer der prägendsten Designer unserer Zeit: Christophe Delcourt. Design Deluxe hat den Designer in Wien getroffen – dort, wo nun französische Formensprache auf österreichisches Feingefühl trifft, im Atelier von Bernd Gruber.

Delcourt wollte ursprünglich Schauspieler werden. Doch es zog ihn dann nicht auf die Bühne, sondern hinter die Kulissen, wo er seine Leidenschaft für Räume, für Materialien und für das Handwerk entdeckte. Ohne klassische Designausbildung, aber mit einer unerschütterlichen Neugier und tiefer Achtung vor dem Können der Handwerker:innen, formte er über Jahrzehnte eine unverkennbare zeitlose Ästhetik: kraftvoll, leise, pur.
Heute zählt der Pariser zweifelsohne zu den einflussreichsten Gestaltern im internationalen Interior-Design: seine Entwürfe sind in der Kollektion von Minotti ebenso zu finden wie in ikonischen Architektenhäusern weltweit. Nun geht Delcourt einen weiteren, ganz besonderen Schritt: eine Kooperation mit dem österreichischen Interior-Studio Bernd Gruber, das in der Verbindung aus Raum, Architektur und Material ähnliche Prinzipien verfolgt wie Delcourt selbst.
Warum ihn das österreichische Verständnis von Material fasziniert, welche Parallelen er in der Zusammenarbeit sieht und wieso echte Gestaltung immer mit Respekt beginnt, hat er im Gespräch mit Design Deluxe verraten.

Was war für die Zusammenarbeit mit Bernd Gruber ausschlaggebend?
Die Zusammenarbeit war vom ersten Moment an ganz organisch. Was uns verbindet, ist nicht nur ein ästhetisches Verständnis, sondern auch die Haltung zum Entwerfen. Bernd Gruber verkauft keine fertigen Möbel, sondern arbeitet projektbasiert, in enger Abstimmung mit Architektinnen und Architekten. Diese Haltung spiegelt unsere eigene Arbeitsweise. Unsere Möbel entstehen maßgeschneidert, innerhalb eines klaren Prozesses, der in der Regel acht bis vierzehn Wochen dauert. Das erfordert Organisation, Präzision – und gegenseitiges Vertrauen.
Worin liegt für Sie der Unterschied zu Kooperationen mit großen Marken wie Molteni oder Minotti?
Mit einer eigenen Marke habe ich völlige kreative Freiheit. Ich kann zeigen, was uns als Atelier ausmacht – wie wir denken, wie wir gestalten. Bei großen Marken gibt es natürlich Vorgaben, feste Briefings. Das ist verständlich, aber unsere Arbeit basiert auf einer anderen Logik: Wir passen die Idee nicht der Produktion an, sondern entwickeln das Objekt aus dem Material heraus, aus dem, was das Handwerk zulässt – oder manchmal sogar darüber hinaus.
Sie haben Ihre Karriere ohne klassische Designausbildung begonnen. Wie hat das Ihren Zugang geprägt?
Ich habe nicht Design studiert, ich bin Designer geworden. Mein Weg begann über das Handwerk. Ich habe früh mit Werkstätten gearbeitet, von denen viele bis heute Teil unseres Netzwerks sind. Mich interessiert, was Materialien können – und was Handwerker:innen möglich machen. Ich beginne mit dem Material und dem savoir-faire, nicht mit einer fixen Form.

Was bedeutet das konkret bei der Arbeit mit Holz?
Holz ist für mich das ursprünglichste, das ehrlichste Material. Ich arbeite fast ausschließlich mit Massivholz, oft sehr dick, sehr schwer, aus Bäumen, die über hundert Jahre alt sind. Diese Hölzer lagern fünf Jahre, bevor wir sie weiterverarbeiten – und werden danach zusätzlich im Atelier getrocknet. Diese Langsamkeit ist notwendig, wenn man etwas Zeitloses schaffen will. Das Material diktiert, was möglich ist – aber es lässt sich auch herausfordern. Vor allem in skulpturalen Formen, in Volumen, in organischen Linien. Gerade da beginnt für mich der wahre Dialog mit dem Material.
Sie haben zwei Marken unter einem Dach: Delcourt Collection und Collection Particulière. Wie unterscheiden sich diese?
Delcourt Collection ist die Marke, mit der ich vor 30 Jahren begonnen habe. Hier entwerfe ich alle Stücke selbst. Collection Particulière ist kuratierter – wir arbeiten dort mit eingeladenen Designer:innen. Die Entwürfe sind oft objekthafter, expressiver, manchmal fast wie Sammlerstücke. Gemeinsam bilden die beiden Marken ein Spannungsfeld, das mir erlaubt, sowohl ruhige als auch radikale Ideen umzusetzen.
Kann Ihrer Meinung nach jeder Mensch Designer oder Designerin werden?
Ich bin überzeugt davon: ja. Ich selbst hatte den Wunsch, Designer zu werden – und wenn man wirklich etwas will, dann kann man es erreichen. Es braucht den Willen, den inneren Antrieb. Man muss dranbleiben, sich weiterentwickeln, sich offenhalten für das, was man sieht.

Was braucht es außer dem Willen noch?
Ausdauer. Resilienz. Und vor allem Sensibilität. Es reicht nicht, etwas entwerfen zu wollen – man muss sehen können. Beobachten. Verstehen. Und: Man muss kommunizieren können. Design ist kein Monolog. Es ist ein Prozess, der nur gelingt, wenn alle Beteiligten miteinander arbeiten. Ich bin selbst kein Produzent. Also muss ich meine Entwürfe so klar vermitteln, dass sie umgesetzt werden können. Ich bin ein Teil eines größeren Ganzen – und das ist auch gut so.
Wie sehen Sie österreichisches Design?
Ich sehe eine große Liebe zum Kunsthandwerk. Und eine starke Verbindung zur Natur. In Österreich spürt man: Die Menschen leben im Rhythmus der Natur. Dieses Gespür für Material, für Zeit, für den richtigen Moment – das spricht mich an. Es ist eine Haltung, die ich sehr schätze.